Er soll den Pflanzen Halt, Nahrung und Wasser bieten: Ein gesunder Boden gilt als Basis für erfolgreiches Gärtnern. Dass er aber auch Lebensraum für Milliarden von Organismen ist, das war selbst Biologin Bärbel Oftring viele Jahre nicht bewusst.
„Für mich war der Boden eine Selbstverständlichkeit, mit der ich mich lange Zeit nicht beschäftigt habe. Dabei ist er ein faszinierendes, komplexes Ökosystem, das viele Tiere ernährt – nur eben nicht so sichtbar wie Wald oder Wiese“, sagt die Autorin des Buchs „Mach mich locker! Wer den Boden versteht, gärtnert erfolgreich & nachhaltig“ im Interview. Dieses wurde mit dem Deutschen Gartenbuchpreis 2021 ausgezeichnet.
Frau Oftring, es heißt: In einer Handvoll Boden steckt mehr Leben, als es Menschen auf der Erde gibt. Was ist da dran?
Der Boden ist eines der artenreichsten Ökosysteme der Erde – wenn er denn gesund ist. Meist kommt uns als Erstes der Regenwurm in den Sinn. Dabei machen er und andere Kleintiere nur einen winzigen Bruchteil an Bodenlebewesen aus.
Die überwiegende Mehrzahl sind Pilze, Bakterien und Einzeller wie Amöben, Geißeltierchen und Wimpertierchen. Diese Mikroorganismen sind so winzig, dass sie mit bloßem Auge nicht zu erkennen sind. Sie alle eint eine Aufgabe: organische Abfälle wie Blätter, Pflanzenreste, Totholz, Aas und Kot zu recyceln und die Nährstoffe den Pflanzen verfügbar zu machen.
Bleiben wir zunächst beim Regenwurm. Inwiefern macht er den Boden gut?
Regenwürmer sind Weltmeister im Bodenlockern. Je nach Art leben und graben sie in unterschiedlich tiefen Schichten. Ihre Tunnel und Gänge versorgen den Boden mit Sauerstoff. Außerdem leisten die Würmer einen wertvollen Beitrag zum Klimaschutz. Ihr spaghettiförmiger Kot ist nicht nur ein nährstoffreicher Dünger, sondern bindet durch die Ton-Humus-Komplexe auch CO2 im Boden.
Welche Tiere lassen sich noch mit bloßem Auge im Boden entdecken?
Je mehr der Boden mit Laub und anderem organischem Material bedeckt ist, desto mehr wichtige Müllarbeiter können Sie finden: Würmer, Asseln, Tausendfüßer, Laufkäfer und größere Springschwänze, zum Beispiel, aber auch madenförmige Larven von Fliegen, Mücken und Schnaken. Sie alle spielen bei der Zersetzung und Umlagerung von Pflanzenresten eine wesentliche Rolle.
Im Boden leben auch Tiere, die oft nicht so gern gesehen sind. Nacktschnecken zum Beispiel, die nicht nur abgestorbene Pflanzen, sondern auch frische Salate ratzekahl fressen. Was kann man gegen sie tun?
Auch Schnecken sind wichtige Zersetzer von Pflanzenmaterial. Dass Nacktschnecken im Garten überhand nehmen, ist ein menschengemachtes Problem. Bei vielen Gemüse- und Salatsorten wurden die Bitterstoffe herausgezüchtet, zudem gibt es kaum noch natürliche Feinde wie Laufkäfer, Glühwürmchenlarven und Tigerschnegel. Dadurch kommt es zu einem Ungleichgewicht.
Kommen wir zum weniger sichtbaren Bodenleben. Welche Aufgaben haben Pilze, Einzeller und Bakterien?
Pilze bereiten die Zersetzung von totem Pflanzenmaterial vor. In einen unzersetzten Ast möchte keine Milbe beißen. Mit ihrem Myzel vergrößern Pilze die Oberfläche, damit Wasser eindringen kann und das Holz feucht wird. In dieser Mikroatmosphäre können dann Kleintiere und Einzeller arbeiten und sich vermehren.
Bodenbakterien sind für die Pflanzen enorm wichtig, weil sie sie mit verfügbaren Nährstoffen bedienen. Sie sind vergleichbar mit unseren Darmbakterien. Eine gesunde Bodenflora erhält sich selbst und verdrängt ungünstige Bakterien, die Pflanzen schwächen und im schlimmsten Fall Krankheiten auslösen. Vielen Pflanzen geht es nicht gut, weil es dem Boden nicht gut geht.
Was schadet dem Bodenleben?
Zum einen Pestizide und mineralische Dünger. Die meisten Bodenlebewesen reagieren empfindlich auf die Salze, in denen Stickstoff, Phosphor und Kalium bei anorganischen Düngern vorliegen. Auch bieten sie den Bodentieren keine Nahrung.
Zum anderen falsche Bodenbearbeitung. Große Maschinen verdichten den Boden, so dass kein Sauerstoff mehr in die Tiefe dringen kann. Maschinell bearbeitete Böden zerstören das natürliche Gefüge. Meist reicht es, den Boden zu lockern. Umgraben ist nur in Ausnahmen bei ganz wenigen, sehr schweren Böden für die Frostgare notwendig.
Wie lässt sich Boden wieder gut machen?
Verzichten Sie auf jegliches Gift, düngen Sie organisch und mulchen Sie. Damit ernähren Sie nicht nur das Bodenleben, sondern schützen es auch. Ein offener Boden wird von Wind und Wasser abgetragen, trocknet schnell aus und kann reißen.
Viele Probleme lassen sich auch mit einer Gründüngung lösen. Je nach Mischung entziehen die Pflanzen dem Boden überschüssige Nährstoffe oder lockern ihn mit ihren Wurzeln.
Bei schweren Böden können Sie zudem Sand aufstreuen, bei leichten Böden Tonmehl, um den Wasserhaushalt zu regulieren. Für die Bodenregeneration braucht es Geduld, sie dauert aber nicht ewig. Sind die Gifte aus der Erde und ist der Boden locker, kann sich das Bodenleben wieder vermehren. Text/Foto dpa